Hyaluronbehandlungen liegen im Trend
Berlin-Immer mehr junge Frauen und Männer lassen sich die natürlichen Filler spritzen, um Schönheitsmakeln und alternder Haut entgegenzuwirken. 2020 stieg die Anzahl minimalinvasiver, ästhetischer Behandlungen um mehr als 20 Prozent. Risiken und Nebenwirkungen einer Fillerbehandlung werden dabei meist ignoriert.
„Risikoarm, schonend, effektiv und nachhaltig“ – mit Slogans wie diesen werben zahlreiche Anbieter für Hyaluronbehandlungen. Behandlungsdauer: 15 Minuten – Genesung: sofort. Klingt verlockend – aber ist es wirklich so einfach?
Laut den aktuellen Zahlen der deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische-Chirurge (DGÄPC) nutzten viele Patienten im letzten Jahr ihre Zeit für ästhetische Veränderungen. Die Anzahl der minimalinvasiven ästhetischen Behandlungen stieg von 41,5 Prozent auf 63,7 Prozent zum Folgejahr[1]. Begründet wird dieser signifikante Anstieg durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie[2]. Schwellungen und kleine Blutergüsse können dank der Arbeit im Homeoffice einfach und ungesehen auskuriert werden. Nachsorge- oder Kontrolltermine sind meist nicht zwingend notwendig, lautet es in der Pressemitteilung der DGÄPC. Die Fachärztin für plastische und ästhetische Chirurgie Dr. Miriam Koeller-Bratz, bekannt aus diversen TV-Auftritten unter anderem der RTL2-Serie „Extrem Schön“, erklärt: „Die auf sich selbst gerichteten Webcams bei den Videokonferenzen im Homeoffice sind wie ein stundenlanger Blick in den Spiegel. Sie wecken zusätzlich das Bedürfnis nach ästhetischen Eingriffen.“
Auf Platz eins der beliebtesten Behandlungen: Die Faltenunterspritzung. Neben der bekannten Behandlung durch Botulinumtoxin, auch Botox genannt, gehört die Behandlung durch Hyaluronfillern zu den gängigsten Faltenbehandlungsverfahren. Der Unterschied: Hyaluron ist kein Nervengift, sondern eine gelartige Substanz, die bis zu einem gewissen Grad vom Körper selbst produziert wird und einen wichtigen Teil des Bindegewebes darstellt. Vorrangig verantwortlich für die Feuchtigkeitsversorgung und die Straffung der Haut.
Mit fortschreitendem Alter wird das Hyaluron auf natürliche Weise vom Körper abgebaut – was zum Verlust von Sprungkraft und Elastizität der Haut führt. Konsequenz: Die Haut erschlafft und es kommt erneut zur Faltenbildung. Die nächste Hyaluron-Behandlung wird fällig
Kein Wunder also, dass die Kosmetikindustrie dem natürlichen Alterungsprozess mit zahlreichen Hyaluroncremes und -präparaten entgegenwirkt.
Wer mehr erzielen möchte, als den Effekt einer Creme, lässt sich die natürliche Säure unter die Haut spritzen. „Neben der Hautverjüngung kann Hyaluron auch zur Veränderung von Gesichtskonturen, wie Wangenknochen, Kinn und Nase verwendet werden. Immer beliebter wird die Begradigung kleiner Höcker am Nasenrücken durch Hyaluronsäure“, erklärt Koeller-Bratz. Bei einem ästhetisch-chirurgischen Eingriff wird die Hyaluronsäure direkt in das erschlaffte Bindegewebe injiziert. Die Folge: Die Haut erhebt sich und wird sofort sichtbar geglättet.
Blind durch Schönheitseingriff
Ein kleiner Pikser hier, ein kleiner Pikser dort…
Musste man sich früher noch in einer OP unter das Messer legen, gibt es heute die Möglichkeit, Nase, Lippen und weitere Körperbereiche durch einen Eingriff mit Hyaluronsäure zu verändern und dem individuellen Schönheitsbild anzupassen.
Was bei den schnellen Routineeingriffen oft ignoriert wird, sind die nicht ungefährlichen Risiken und Nebenwirkungen. Neben dem Auftreten von Rötungen und blauen Flecken können bei dem Einspritzen zu großer Mengen Blutgefäße verdrängt oder im schlimmsten Fall mit der Flüssigkeit initiiert werden. Es kommt zu kleinen Verklumpungen. Konsequenz: Eine Ischämie, eine mangelnde Blutversorgung einzelner Gefäße, kann auftreten. Im Worst-Case-Szenario wird das Gefäß, welches den Sehnerv mit Blut versorgt, verstopft. Die Folge: Erblindung. „Glücklicherweise sind solche Fälle extrem selten. In Deutschland ist mir das Auftreten einer Erblindung noch nicht bekannt, aber das Risiko besteht durchaus – die Folgen eines Hyaluron-Eingriffs dürfen daher keinesfalls unterschätzt werden“, erläutert Koeller-Bratz.
Weltweit sind rund 148 Fälle mit schwerwiegenden Komplikationen bekannt[3]. Eine Zahl, die im Vergleich zu den millionenfachen Anwendungen von Hyaluronfillern zunächst nicht hoch erscheint. „Überdenkt man jedoch, dass die möglichen Folgen unter nicht-ärztlicher-Behandlung meist nicht therapierbar sind, sollten Vor- und Nachteile eines solchen Eingriffs gewissenhaft abgewogen werden“, appelliert Koeller-Bratz.
Es beginnt mit starken Kopfschmerzen und kann mit dem Verlust des Sehvermögens enden. Bei einer fehlerhaften Hyaluronbehandlung muss schnell reagiert werden. „Folgt nach Auftreten von störenden Symptomen keine Behandlung durch das Gegenmittel Hyalase, welches die Säure im Körper auflöst, kann dies in weniger als 90 Minuten schwerwiegende Folgen verursachen“, so Koeller-Bratz.
Seit dem Urteil des OLG Karlsruhe vom 17.02.2012 ist die Hyaluronbehandlung für Kosmetiker und nicht ärtzlichem Personal untersagt. Denn bei Komplikationen muss über anatomisches Wissen verfügt werden, um das Gegenmittel präzise einzusetzen. Erfahrene Ärzte können unvorhergesehene Symptome schnellstens erkennen und meist effektiv behandeln. Jeder Eingriff sollte somit mit höchster Vorsicht durchführt werden[4].
Forever young: Behandlungspfusch mit schweren Folgen
Doch trotz der Risiken boomt das Geschäft bei unseriösen Anbieten. Rund 3.000-mal hat Duygu Ö. zur Spritze gegriffen. Als vermeintliche Heilpraktikerin injizierte sie Kunden Hyaluronsäure in verschiedene Gesichtspartien – mit schweren Folgen. Schwellungen, Schmerzen und schlaflose Nächte wurden für viele ihrer Patienten zur Konsequenz. In Hotelzimmern und Privatwohnungen verabreichte sie ihren Patienten die Hyaluronpräparate. Ein lukratives Geschäft, wie sich herausstellte. Ihr Verdienst mit den illegalen Behandlungen wird auf ca. 1,3 Millionen Euro geschätzt. Vor zwei Jahren musste die Betrügerin sich vor Gericht verantworten. Das Ergebnis: eine zweijährige Haftstrafe[5].
Patienten die sich an unseriöse Anbieter wenden, gehen ein unkalkulierbares Risiko ein, so Koeller-Bratz. „Wer über eine Hyaluronbehandlung nachdenkt, sollte sich in jedem Fall an speziell ausgebildete und seriöse Anbieter wenden. Patienten sollten bei der Recherche nach einem geeigneten Arzt auf die Facharztbezeichnung „Plastische und Ästhetische Chirurgie“ oder die Lizenz der deutschen Gesellschaft für ästhetische Botulinum- und Fillertherapie (DGBT) achten. Persönliche Präferenzen und Bedürfnisse sollten bei der Beratung im Vordergrund stehen.“
Frau Dr. Koeller-Bratz empfiehlt Patienten zudem, sich vor einem Eingriff über die Studienlage des verwendeten Hyaluronpräparats zu informieren. Feststeht: Wer sich einer beliebten Hyaluronbehandlung aus rein ästhetischen Gründen unterzieht, sollte sich über die möglichen Folgen im Klaren sein.
CyberConcept, Foto: Systembild: Gefährliche Schönheit © IStock
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